| Großflächige Bausysteme im Baustoffhandel? Die konsequente Weiterentwicklung des Handels mit Baustoffen  
               von Gustav Vehmeier und Reinhard Wabnitz 
               Im "Baustoffmarkt" September 1998 wurde über die Ergebnisse 
                der Arbeitsgruppe Strukturwandel berichtet. In der Überschrift 
                fragt der Autor Alfred Hornberger: "Bausysteme und vorgefertigte 
                Elemente - eine Chance für den Baustoffhandel?" - Schon die 
                Art der Fragestellung zeigt, wie defensiv der Baustoffhandel diesem 
                wichtigen Thema gegenübersteht. 
               Auf jeden Fall ist deutlich zu erkennen, daß zusätzlich 
                zu dem andauernden Krisenszenario "nicht auskömmliche Margen", 
                "wegbrechende Umsätze", "Zahlungsmoral der Kunden", Direktgeschäfte 
                der Industrie" dieses wichtige Thema in allen Gesprächszirkeln 
                des Handels diskutiert wird. 
               Der Autor erfaßt wesentliche Punkte dieses Themas und zeigt 
                die Zusammenhänge in wichtigen Bestandteilen deutlich auf. 
                - Dabei müßten die daraus abgeleiteten Erkenntnisse 
                und Empfehlungen eigentlich noch verstärkt werden. 
               Fest steht, daß der Markt des Bauens mit Bausystemen - 
                vorgefertigten Baukomponenten dynamisch wächst. Diese Art 
                des Bauens verlagert in Zukunft Absatzpotentiale vom Bautoffhandel 
                weg zu direktvermarktenden Anbietern. Der Bericht geht vor allem 
                auf die Veränderungen im Bau von Einfamilienhäusern 
                ein. Die den Baustoffhandel betreffenden Veränderungen werden 
                ihn jedoch stärker bei der Erstellung von Mehrfamilienhäusern 
                treffen. Im Hinblick darauf, daß Vorarbeiten und Anlaufmaßnahmen 
                bis zur ernsthaften Marktteilnahme unter Umständen mehrere 
                Jahre in Anspruch nehmen, hätte die Headline des Artikels 
                auch lauten können " ....... eine Pflicht für den Baustoffhandel." 
               Umfeld der Entwicklung zum Bauen mit großflächigen 
                Bausystemen? 
               Zunächst ist sicherlich zu differenzieren in das Geschäft 
                mit Einfamilienhäusern, Mehrfamilienhäusern und, nochmals 
                abgetrennt, den Gewerbebau. Beim Einfamilienhausbau haben sich 
                Anbieter von Holzrahmenbauten, die sogenannten Fertighaushersteller, 
                im Verlauf der letzten 30 Jahre nicht über einen Marktanteil 
                von 10 % hinaus entwickeln können. 
               Eine positive Entwicklung zeigt sich bei Anbietern von Ausbauhäusern 
                in Holzrahmenbauweise, die überwiegend über Baumarktgruppen 
                angeboten und vermarktet werden. Massive Einfamilienhäuser 
                werden nach wie vor zu einem großen Teil in Eigenhilfe, 
                aber auch von Schlüsselfertig-Anbietern abgedeckt. Bei Einfamilienhäusern 
                in Holzständerwerksbauweise und bei Ausbauhäusern spielt 
                der Handel kaum eine Rolle. In der Belieferung von massiven Einfamilienhäusern, 
                konventionell erstellt, findet der Baustoffhandel noch ein umfangreiches 
                Betätigungsfeld. - Ob sich allerdings die jüngere Generation 
                noch ein Eigenheim Stein auf Stein in Eigenhilfe "erquält", 
                wird von Insidern zunehmend bezweifelt. Anders sieht es beim Siedlungsbau 
                und beim Bau von Mehrfamilienhäusern und Gewerbebauten aus. 
                Hier bestimmen Bauträger und Investoren im Vorfeld, mit welchen 
                Baukomponenten eine Baumaßnahme durchgeführt werden 
                soll. - Wenn für den Baustoffhandel alles gut geht, arbeitet 
                eine baustoffhandelsfreundliche Industrie auf ihn zu. 
               Zum Teil fördern die Rahmenbedingungen des Bauens noch konventionelles 
                Denken und Handeln. Der unkalkulierbare Einfluß der Baubehörden 
                und die zu duldenden Wartezeiten bis zur Baugenehmigung führen 
                oft dazu, daß vom Bauunternehmer erwartet wird, sofort nach 
                Vorliegen der Baugenehmigung anfangen zu müssen. - Diese 
                Gewohnheit fördert die Improvisation und läßt 
                in vielen Fällen eine ordentliche Arbeitsvorbereitung nicht 
                zu. Strategie wird durch Hektik ersetzt. 
               Das ständige auf und ab der Baukonjunktur, hervorgerufen 
                durch fördernde und bremsende Einflußnahmen der Politik, 
                verminderte in der Vergangenheit die Notwendigkeit, Bauabläufe 
                nach industriellen Vorgaben auszurichten. Die konkurrierenden 
                Baupreisindikatoren, Abschreibung von Fabrikationsanlagen zu Löhnen 
                auf der Baustelle, stießen nie über längere Zeiträume 
                aufeinander und ließen so eine langfristige Planung industriell 
                hergestellter Bausysteme verzichtbar erscheinen. - Es wurde, wie 
                im Bericht festgestellt, auch so gutes Geld verdient. 
               Wer in den letzten Jahren beobachtet hat, mit welchem "Qualitätsgemenge" 
                Bauten erstellt werden, muß sich nicht wundern, daß 
                Auftraggeber es immer häufiger ablehnen, den Werklohn voll 
                zu bezahlen. - Deutsche Baustellen waren "Gastgeber" für 
                fast alle europäischen Nachbarn. 
               Italiener, Spanier und Portugiesen haben heute in ihren Ländern 
                zu uns vergleichbare Löhne. Bei den Osteuropäern wird 
                (muß) das in absehbarer Zeit auch so sein. Die Bauunternehmen 
                sehen im Systembau eine Konkurrenz. - Das Hinauszögern der 
                Entscheidung, selbst know how aufzubauen, wird durch die Notwendigkeit, 
                teure Gerätschaft auf konventionellen Baustellen abzuschreiben, 
                gestützt. 
               Anders als z.B. in Holland , stellt der Architekt seine künstlerische 
                Leistung in den Vordergrund. Für ökonomisch sinnvolles 
                Planen gibt es in der Gebührenordnung für Architekten 
                wenig Ansätze. 
               Die Mehrzahl der Branchenteilnehmer versucht, überwiegend 
                aus Eigeninteresse, starken Einfluß auf den Baupreis , d.h. 
                auf die Stoff- und Handwerkerpreise auszuüben. - Es werden 
                nicht Gesamtkosten eines Objektes in denVordergrund gestellt, 
                sondern die Preise selbst. Zinsen für die Vorhaltung von 
                Grundstücken, Aufwendungen für die Bauabwicklung, wie 
                die Koordinierung verschiedenster Gewerke, sowie das frühere 
                Realisieren von Mieteinnahmen spielen noch selten eine Rolle. 
                - Entscheider aus den Zielgruppen Bauträger, Architekten 
                haben überwiegend eine technisch unterlegte Ausbildung. 
               Die vorher beschriebenen, zum Teil negativen Faktoren, werden, 
                weil sie nach und nach an Bedeutung verlieren, den sprunghaften 
                Anstieg des Bauens mit industriell vorgefertigten Großflächenelementen 
                noch beschleunigen. 
               Was heißt "Bauen mit großflächigen Bausystemen" 
                ? 
               Das Wort Bausystem selbst definiert heute eine große Bandbreite 
                von Angeboten. Auch Ausbausysteme wie Innentüren, großformatige, 
                minikranversetzbare Steine, geschoßhohe Teilelemente, teilfertig-Decken, 
                im Werk vermauerte Steinformate und Dachpaneele von der Stange, 
                werden heute unter dem Oberbegriff Bausysteme zusammengefaßt. 
               Den größten Rationalisierungseffekt aber bringen Großwandelemente 
                und Decken, bis hin zu Fix-und Fertigdecken, die mit werksseitig 
                aufgebrachtem Estrich und eingebauten Leer- und Abwasserrohren 
                zur Baustelle geliefert werden. Großflächige Fertigdächer, 
                mit Folien, Dämmung, innen beplankt, außen Latten und 
                Konterlatten, sogar mit werksseitig eingebauten Dachflächenfenstern 
                sind auf dem Vormarsch. Alle zuletzt genannten Bausysteme zeigen 
                einen insgesamt sehr hohen Vorfertigungsgrad. 
               Mit immer kürzer werdender Frequenz entstehen, häufig 
                initiiert durch Investoren aus dem Kreis der Zementindustrie, 
                Produktionsstätten zur Herstellung großflächiger 
                Bausysteme. Die Anlagenbauer liefern computergesteuerte und robotergestützte 
                Multifunktionsanlagen, die im Wechsel verschiedene Wand- und Deckensysteme 
                produzieren. Mit geringstem Lohnaufwand werden große Jahreskapazitäten 
                in unterschiedlicher Systemkonstellation hergestellt. Die Branche 
                erlebt im Moment eine äußerst dynamische Entwicklung 
                zu massiven Blähton-Großwandelementen. Der Grund liegt 
                im Preisleistungsvergleich. - Die bauphysikalischen Werte, die 
                Schlankheit der Bauteile, die annähernd tapezierfähige 
                Oberfläche, und der beim Bauherrn gut zu argumentierende 
                Blähton (Hydrokultur) geben diesem Bausystem beste Zukunftsaussichten. 
               Auswirkungen auf den Baustoffhandel 
               Die ständig zunehmenden Kapazitäten bei den Herstellern 
                von Wänden, Decken, Treppen, Balkonen werden, wenn sich im 
                Baustoffhandel keine Veränderung einstellt, auch in Zukunft 
                den Weg direkt zu den Kunden finden. 
               Die Funktion des Baustoffhandels hat sich aus der Entwicklung 
                der letzten Jahrzehnte auf die Deckung im Markt vorhandenen Bedarfs 
                beschränkt. Die Objekt- und Produktberatung bei den Entscheidern 
                wurde durch den Außendienst der Industrie wahrgenommen. 
                Bedarfsweckende Initiativen des Baustoffhandels werden deshalb 
                heute nicht mehr oder kaum erwartet. Die Direktanbieter meiden 
                den Weg über den Baustoffhandel, weil hier eine zusätzliche 
                Marge, der (noch) keine Leistung zugrunde liegt, im Endpreis berücksichtigt 
                werden müßte.  
               Bei Entstehen von Gebäuden unter Verwendung großflächiger 
                Bausysteme gehen nicht nur Rohbauumsätze verloren, sondern 
                im Sog direkt entstandener Beschaffungswege auch die Einflußnahme 
                auf Ausbauartikel und sonstige Zusatzgeschäfte. - Sogar das 
                Abbrechen von Kundenbziehungen kann die Folge sein. 
               Wie kann der Baustoffhandel seine Interessen in der Zukunft 
                wahren? 
               Die kleinen Schritte, z.B. Anbieten von franchisierten Einfamilienhauskonzepten. 
                oder von Quasi-Bausystemen, führen zunächst sicherlich 
                zu einer Qualifizierung, werden aber der Veränderung im Objektgeschäft, 
                wie sie sich in den kommenden Jahren darstellen wird, nicht gerecht. 
                Auch die Empfehlung im Bericht der Arbeitsgruppe, die Ausstellungen 
                zu aktualisieren, sich als Koordinator zur Verfügung zu stellen, 
                Just-In-Time Lieferungen auszuführen usw., werden nicht ausreichen.  
               Auch in einem Bauteam ist mehr als Moderation vonnöten. 
                Theken- und Außendienstverkäufer werden mit der Wahrnehmung 
                des Bausystemgeschäftes überfordert sein. Es sind grundsätzliche 
                Bekenntnisse und Neuorientierungen erforderlich. Nur dadurch läßt 
                sich die Beteiligung am Trend zum Bauen mit großflächigen 
                Bausystemen, der in fünf bis zehn Jahren einen bedeutenden 
                Teil des Baugeschehens ausmachen wird, aktiv umsetzen. 
               Vom Baustoffhandel zum Anbieter von Systembauten. 
               Für den Handel bestehen gute Chancen, sich diesen zukunftsorientierten 
                Markt zu sichern. Die Mehrzahl der direkt verkaufenden Hersteller 
                bieten nur einen Teil der für ein ganzes Bauvorhaben erforderlichen 
                Baukomponenten an, z.B. ein Decken- und/oder ein Wandsystem. Wenn 
                der Handel einen Weg findet, ein Komplettangebot, bestehend aus 
                objektbezogen einzusetzenden verschiedenen Wand- und Deckensystemen, 
                einem Fertigdach und begleitenden Komponenten wieTreppen, Balkone 
                u.ä. zu beherrschen, hat er gute Aussichten,wichtiger Gesprächspartner 
                der Entscheider zu werden und letztlich das Geschäft zu machen. 
                Hinzu kommt, daß er durch seine lokale Marktkenntnis und 
                durch die Flankierung des Bausystemgeschäftes mit seinen 
                traditionellen Handelsaktivitäten alle notwendigen Voraussetzungen 
                für einen Erfolg bereits besitzt.  
               Spezialisten in einer gesonderten Abteilung, besser wahrscheinlich 
                noch in einer angegliederten Firma, müssen eine Komponentenkonstellation, 
                möglichst von feststehenden Herstellern, technisch und kaufmännisch 
                beherrschen. - Dazu gehören Kalkulation, Plankontrolle, Statik 
                und Bauleitung. - Sogar die Bauausführung muß dominiert 
                werden. Das Einbeziehen der Bauunternehmerkundschaft fördert 
                die bisherige Partnerschaft und verhindert mögliche Konfrontationen. 
               Durch das Beherrschen des Objektgeschäftes mit großflächigen 
                Bausystemen eröffnen sich Möglichkeiten, die Nachfrage 
                nach massiven Ausbauhäusern zu decken. Dem qualifizierten 
                Handel ist durchaus zuzutrauen, ein Vollsortiment aus großflächigen 
                Bausystemen aktiv in den Markt zu tragen. Das sich zwangsläufig 
                ergebende Zielgruppen-Marketing, unter Umständen von einem 
                regionalen Verbund getragen, fördert weitere Synergien. 
               Natürlich ist der Aufbau und der Einstieg in dieses Marktsegment 
                mit erheblichem Aufwand und gewissen Risiken verbunden. - Auch 
                der erhebliche Zeitaufwand, das Abziehen qualifizierten Personals 
                für die Anfangsaktivitäten, spricht dafür, sich 
                bestehender Angebote zu bedienen. 
               |